Hardcover Leinen
272 Seiten
erschienen am 28. Oktober 2020
Aus dem Italienischen von Maja Pflug
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ihrer Mutter muss Paola täglich mit Richi an die frische Luft. Eine gute Gelegenheit, der Enge der elterlichen Villa zu entfliehen und Gegenden zu erkunden, wo Paola das wahre Leben vermutet – das so ganz anders ist, als sie dachte.
»Mit einer Lüge zu leben ist für eine Wahrheitsfanatikerin wie mich ungefähr genauso wie für eine Vegetarierin, bei McDonald’s zu essen.« Paola sieht um sich herum nur Lug und Trug, was zählt, ist die Fassade. Unerträglich für eine 16-Jährige, die sich nicht wohl in ihrer Haut fühlt.
Paola muss ihren Bruder täglich in seinem Rollstuhl durch die Gegend schieben, damit sie nicht dick wird – so die Verordnung der Mutter. Jenseits der Hecke, die das schicke Einfamilienhaus umgibt, in der Peripherie der Fabrikhallen und des sozialen Wohnungsbaus, erkundet Paola zusammen mit Richi eine Welt, die ihr zunächst fremd ist. Und doch erfährt sie dort endlich die ganze Wahrheit – über ihre Familie und sich selbst. (Inhaltsangabe des Verlages)
–> Lange habe ich dieses Buch gelesen, es angefangen, weggelegt, pausiert, es wieder zur Hand genommen, weggelegt und letztendlich dann doch in einem Rutsch gelesen. Aus der Perspektive der 15-jährigen Paola, die im dritten Monat der Handlungszeit 16 Jahre alt wird, wird die Geschichte erzählt. Die Protagonistin ist anders als andere, nicht angepasst, sondern eigensinnig und reflektiert. Sie sieht die Welt aus ihren Augen und findet, dass nichts so ist, wie es scheint – angefangen von ihrer Familie, ihren Klassenkameraden und ihrem vermutlich einzigen Freund Antonio. Sie plagt sich mit den typischen Teenagerproblemen herum, die allerdings durch die Mutter forciert werden. Auf ihren täglichen Spaziergängen probt sie gemeinsam mit ihrem Bruder Riccardo den Widerstand, indem sie nicht stramm läuft, sondern sich Leckereien kauft, die sie gemeinsam mit ihrem Bruder vertilgt. Die beiden bauen sich eine eigene Welt, in die sie zwischenzeitlich auch vermeintliche Freunde einladen. Gemeinsam machen Sie sich auch auf die Suche nach der Wahrheit und müssen mit dem zurecht kommen, was sie finden.
Ein toller Roman, an den man sich gewöhnen muss, denn die Perspektive der 15-jährigen Paola ist nicht immer leicht zu lesen, sie springt in ihren Gedanken wie eine typische Teenagerin hin und her, schweift ab, bemüht Film – und Literaturvergleiche, widmet sich scheinbar belanglosen Details, in die sie sich verliert, bevor sie den Faden wieder findet und mit dem Thema weitermacht, das sie ursprünglich angedacht hat. Sie sagt von sich selbst, dass sie relativ talentfrei sei, dass ihr nur das Schreiben liege und bemüht dafür eine kleine Anekdote mit einer Lehrerin, indem sie darüber berichtet, wie sie bei einem freien Aufsatzthema alles niederschrieb, was sie für richtig und wichtig hielt und nicht einsehen konnte und wollte, dass man sich nur das Thema des Aufsatzes frei wählen konnte.
Die Atmosphäre der Geschichte wechselt zwischen bedrückend und lebendig. Immer, wenn Paola mit ihrem Bruder unterwegs ist, geht es hinaus in die Freiheit, befindet sie sich jedoch in der elterlichen Villa, spürt man als Leser förmlich die Enge, die die beiden zu Hause umgibt. Die Beziehung zu ihrem Bruder ist sehr liebevoll und auf Augenhöhe, was sehr berührend ist. Ihre Sprache ist jugendlich, ohne extrem zu sein.
Ein toller Roman über eine junge Frau, die versucht, authentisch zu sein und sich in der Welt zu behaupten.
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